Satellitenbilder für alle: 40 Jahre National Point of Contact

04. Jun. 2021

ERS-1 im Orbit (Quelle: ESA)

Seit vierzig Jahren vermittelt der National Point of Contact Satellitenbilddaten der Europäischen Raumfahrtagentur niederschwellig an Schweizer Kundinnen und Kunden. Erfahren Sie hier, weshalb dieses Scharnier zwischen Weltraum und Erde 1981 ins Leben gerufen wurde.

1981 nahm der Aufbau des Schweizer National Point of Contact (NPOC) seinen Anfang. Beheimatet am Bundesamt für Landestopografie swisstopo wurde er mit dem Ziel gegründet, Schweizer Kundinnen und Kunden den Zugang zu Satellitendaten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zu erleichtern.

Die Entstehung des Schweizer NPOC war eng mit ERS-1 (European Remote Sensing Satellite) einem ambitionierten europäischen Raumfahrtprogramm, verbunden. Es beförderte erstmals ohne Unterstützung der USA europäische Satelliten ins All und machte deren Messdaten einem breiten Kundenkreis zugänglich.

Ölförderung, Tankerkatastrophen, Klimaforschung: Satellitendaten um 1980

Im Jahr 1957 schickte die Sowjetunion mit Sputnik den ersten Satelliten in den Orbit und läutete so das Weltraumzeitalter ein. Neben den Supermächten UdSSR und USA wollten aber auch europäische Staaten das All erforschen und erschliessen. Mit diesem Ziel wurde 1962 die European Space Research Organisation ins Leben gerufen, die 1975 in der neu gegründeten European Space Agency ESA aufging. Die Schweiz war Gründungsmitglied beider Organisationen und von Beginn an äusserst aktiv an der europäischen Raumfahrt beteiligt.

Künstliche Satelliten waren die wohl attraktivste Technologie, die für wissenschaftliche, wirtschaftliche und militärische Anwendungen aus dem Weltraumzeitalter hervorging. Unmittelbar nach ihrer Gründung im Jahr 1975 nahm die ESA die Arbeit an ihrem ersten Erdbeobachtungssatelliten ERS-1 auf, auf den mit ERS-2 ein zweiter Satellit mit leicht anderer Umlaufbahn folgen sollte. 1991 respektive 1995 beförderte die Agentur die beiden Radarsatelliten schliesslich ins Weltall.

An das kosmische Programm zur Erdbeobachtung waren grosse Hoffnungen geknüpft. Sie waren Ausdruck der wirtschaftlichen, ökologischen und wissenschaftlichen Herausforderungen, vor denen Europa und die Welt um 1980 standen.

Die Erdölkrisen von 1973 und 1979 hatten Europas Abhängigkeit von aussereuropäischen Brennstofflieferanten aufgezeigt und den Ölpreis in neue Höhen befördert. In der Nordsee begannen deshalb insbesondere Grossbritannien, die Niederlande und Norwegen mit der gross angelegten Ausbeutung maritimer Öl- und Gasvorkommen. Zeitnah ausgelieferte Satellitendaten versprachen laut einem ESA-Bericht vom 17. Februar 1981, den Bau und Betrieb der Förderplattformen zu erleichtern.

Neben diesem wirtschaftlichen Argument für die Relevanz von Satellitendaten waren auch ökologische Hoffnungen mit ERS-1 verbunden. So sollte der Satellit im Fall von Öltanker-Havarien im Dreistundentakt Informationen über die Verbreitung eines Ölteppichs liefern. Die Schiffbrüche der Öltanker Urquiola (1976) und Amoco Cadiz (1978) nahe der spanischen respektive französischen Küste hatten die Verletzlichkeit maritimer Ökosysteme auf dramatische Weise vor Augen geführt.

Schweizer Beteiligung am europäischen Satellitenprogramm

Ölplattformen, Tankerkatastrophen, schmelzende Polkappen: Das Satellitenprogramm der ESA versprach einen wichtigen Beitrag zur Analyse und Lösung grosser Gegenwartsprobleme zu leisten. Für ein Binnenland wie die Schweiz waren die maritimen Anwendungen von ERS-1 jedoch nur beschränkt von Nutzen. Zugleich konnte jedes Land frei entscheiden, ob es sich an der Mission beteiligte und damit auch einen Teil der Kosten mittrug. Im Juli 1981 beauftragte deshalb die Eidgenössische Kommission für Weltraumfragen die Arbeitsgruppe Fernerkundung, bis zum 1. Oktober desselben Jahres eine Einschätzung zur Frage abzugeben, ob ein Mitwirken an ERS-1 für die Schweiz überhaupt erstrebenswert war.

Die Empfehlung der Arbeitsgruppe Fernerkundung, in der Experten aus Privatwirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung vertreten waren, fiel eindeutig aus. Das Gremium kam zum Schluss, dass das Satellitenprogramm der ESA trotz seines Fokus auf maritime Anwendungen für die Schweiz äusserst attraktiv sei. ERS sei kein isoliertes Einzelprojekt, sondern ein langfristiges Programm, das bald auch Landsatelliten umfassen werde. Satellitenbilder mit einer Auflösung von 10 Metern pro Pixel könnten bei Erhebungen zur Bodenfeuchtigkeit und schmelzendem Schnee sowie bei Bestandsaufnahmen der Land- und Forstwirtschaft von grossem Nutzen sein. Ein weiterer Vorteil der ERS-Satelliten sei zudem, dass sie mittels Mikrowellen und somit wetter- und tageszeitunabhängig Daten erheben konnten. Dies stellte einen immensen Vorteil gegenüber Luftbildern dar, die nur bei Tageslicht und klarem Wetter aufgenommen werden konnten.

Die Arbeitsgruppe Fernerkundung schlug vor, im Interesse der Schweiz zwei Anliegen vorzubringen: Zum einen sollten in zukünftigen ESA-Satellitenmissionen die Landanwendungen stärker im Fokus stehen, zum anderen sollte die Einrichtung von National Points of Contact vorangetrieben werden. Nur so könne die zügige Weitergabe von Satellitendaten an private, wirtschaftliche und wissenschaftliche Kunden sichergestellt werden.

Am 7. Oktober 1981 beschloss der Bundesrat auf Basis dieser Empfehlungen die Teilnahme der Schweiz an ERS-1. Damit war auch der Grundstein für den Schweizer NPOC am Bundesamt für Landestopografie gelegt.

NPOC: Niederschwelliger Zugang zu Satellitenbildern und Satellitendaten

Ein zentraler Aspekt der ERS-1-Mission war die zeitnahe, niederschwellige und kostengünstige Abgabe der Satellitendaten an alle Interessentinnen und Interessenten. Der Datenempfang sollte überall auf der Welt möglich sein: Jede Empfangsstation, die technisch kompatibel war, konnte die Daten sofort und unmittelbar erhalten und so die «capacité de lecture directe» haben. Diese Möglichkeit hatten auch Länder, die sich nicht am ERS-Programm beteiligt hatten. Die Daten sollten darüber hinaus für Käufer aller Hintergründe – privat, wirtschaftlich, wissenschaftlich oder staatlich – zugänglich sein. Die ESA strebte also einen möglichst freien Fluss von Satellitendaten an.

Um das Ziel einer freien Datenweitergabe zu erreichen, entstanden in vielen europäischen Staaten National Points of Contact. Sie fungierten als Scharniere zwischen der ESA und den Endkunden des jeweiligen Landes. In der Schweiz hatte sich bereits Ende der 1970er Jahre herauskristallisiert, dass der NPOC beim Bundesamt für Landestopografie zu beheimaten sei, da dort die technische Expertise vorhanden und die institutionelle Stabilität gewährleistet waren. Ein Vertrag zwischen der ESA und der Schweizerischen Eidgenossenschaft besiegelte diese Entscheidung am 30. März 1982.

Zwar ist der Hauptsitz des NPOC seither bei swisstopo angesiedelt, wissenschaftliche Institutionen waren aber schon bald fester Bestandteil der Einrichtung. Bei wissenschaftlichen Fragestellungen stand den Kundinnen und Kunden des NPOC zwischen 1986 und 2001 das Institut für Kommunikationstechnik der ETH Zürich zur Seite, seit 2001 nehmen die Remote Sensing Laboratories (RSL) der Universität Zürich diese Aufgabe wahr.

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