Rechnen ist harte Arbeit. Mit mechanischen Hilfsmitteln versuchten Ingenieure der Landestopografie, den Aufwand zu reduzieren. Bis die elektronischen Computer die Grenzen des Berechenbaren verschoben.
Alois Zimmermann , technischer Gehilfe, bei Berechnungen mit Rechenschieber und Curta-Rechenmaschine, ca. 1950. Inv. Nr. 000-401-517
Bei ihrer Feldarbeit produzierten die Landesvermesser seit jeher eine grosse Menge an Daten. So massen sie Winkel, Distanzen und Höhenunterschiede zwischen einzelnen Punkten. Doch erst durch immense Rechenarbeit konnten diese Messdaten zu einer aussagekräftigen Wiedergabe der Schweizer Topografie verarbeitet werden. Bevor elektronische Computer ab den 1960er Jahren die Rechenarbeit erleichterten, setzten die Ingenieure der Landestopografie auf menschliche Fleissarbeit und mechanische Hilfsmittel.
Ab den 1950er Jahren eroberten elektronische Computer Orte, an denen es viel zu berechnen gab. Banken, Verwaltungen, Universitäten und andere Einrichtungen setzten auf ihre Dienste. In den 1960er Jahren begann auch die Landestopografie, elektronisch zu rechnen. Drei Computertypen, die sich gegenseitig ergänzten, kamen dabei zum Einsatz.
Im Arbeitsalltag hatte die Vielfalt von Taschenrechnern, Tischcomputern und Rechenzentrum aber einen Nachteil: Daten mussten von Hand von Gerät zu Gerät übertragen werden. Auch zwischen den einzelnen Tischrechnern und dem Rechenzentrum des EMD gab es keine elektronische Datenübertragung. Den Ingenieuren blieb nur das unermüdliche Eintippen und Wieder-Eintippen von Zahlen: Punktuell verursachte die Digitalisierung auch neue, bisher ungekannte Mühen.
Elektronische Rechner entlasteten die menschlichen Rechner. Ein Teil der eingesparten Zeit musste jedoch für neue Aufgaben verwendet werden, die erst durch die Digitalisierung entstanden.
Der EMD-Grossrechner IBM 360/50 sorgte für einen Digitalisierungsschub in der Armee und bei der Landestopografie. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass aufwändige geodätische Berechnungen dem Computer überlassen wurden. Im Rechenzentrum entstand in den 1960er Jahren auch RIMINI, das erste digitale Höhenmodell der Schweiz.
Titelbild der Produktbeschreibung zu RIMINI
Der Schweizer Generalstab befürchtete Mitte der 1960er Jahre, dass tief fliegende feindliche Kampfflugzeuge unentdeckt Angriffe in der Schweiz fliegen könnten. Dies war der wichtigste Entstehungsgrund für RIMINI. Das digitale Höhenmodell sollte dabei helfen, die Flugabwehr und Radaranlagen optimal zu positionieren, sodass Tiefflieger keine Chance haben.
Zwischen 1966 und 1968 erarbeiteten 60 WK-Soldaten die für RIMINI erforderlichen Daten. Sie nutzten die Landeskarte 1:25 000 als Grundlage und legten ein transparentes Raster von 250 m Maschenweite darüber. Dieselbe Maschenweite wies auch das digitale Endprodukt auf. Für jeden Rasterpunkt erfassten sie eine Höhe, die sie den Höhenkurven und -koten der Landeskarte entnahmen: Im ersten digitalen Höhenmodell der Schweiz steckte viel Handarbeit, die auf 540'000 Lochkarten gespeichert wurde.
«Digitalisierung ist die Darstellung eines nicht in Zahlen vorhandenen Ausgangsmaterials in Zahlenform.»
Das Projekt RIMINI war ein grosser Schritt in Richtung Zukunft. Erstmals wurde die Schweizer Topografie digitalisiert, also in computertaugliche Zahlen übersetzt und als Datenbank gespeichert. Bis in die 1990er Jahre leitete auch swisstopo digitale Geodaten aus analogen Karten ab, wie dies bereits bei RIMINI geschehen war. Um die Jahrtausendwende konnte man den Umweg über die analoge Karte eliminieren und stellte digitale Geodaten direkt aus den Luftbildern her.
Im Laufe der 1970er Jahre wurden Computer immer leistungsfähiger und erschwinglicher. Die Nachfrage nach digitalen Raumdaten wuchs entsprechend. Im Jahr 1976 beschloss die Landestopografie deshalb, ihre elektronische Datenverarbeitung zu modernisieren. Ein Kernstück der «Reorganisation EDV» war der Computer PRIME 400, dessen Anschaffung 1978 bewilligt und durchgeführt wurde. Am 16. Mai überquerte der damals hochmoderne Rechner im Flugzeug den Atlantik, um schliesslich in Wabern bei Bern den Betrieb aufzunehmen.
Der PRIME 400 an der Landestopografie, nach 1978.
Für die Digitalisierung der amtlichen Kartenproduktion war das Jahr 1978 ein Quantensprung. Dies zeigte sich bereits in der Form der Datenübertragung: Der neue Rechner war über ein PTT-Modem mit dem Rechenzentrum des EMD verbunden. Das zeitintensive Hin- und Hersenden von Lochkarten und Rechenergebnissen per Post gehörte nun der Vergangenheit an. Vor allem schuf der PRIME 400 aber neue technische Möglichkeiten:
Für die Schweizer Kartenproduktion begann in den 1960er Jahren ein grundlegender Wandel. Zunächst wurden nur geodätische Berechnungen an den Computer delegiert; mit RIMINI folgte 1968 das erste digitale Höhenmodell der Schweiz. Damit war das Schweizer Relief erstmals – wenn auch rudimentär – digitalisiert.
Entscheidend für die ersten Schritte in den digitalen Raum war die Verbindung von Menschen und Maschinen. Ohne elektronische Computer wie IBM 1401, HP 9100A oder PRIME 400 hätte die immense Rechenarbeit, die die Landesvermessung erfordert, weiterhin auf menschlichen Schultern gelastet. Ohne kluge, erfindungsreiche und auch improvisationsfreudige Menschen wären diese Maschinen jedoch bedeutungslose und platzraubende Gegenstände geblieben. Erst durch das Schreiben ausgeklügelter Programme, das Stanzen hunderttausender Lochkarten und indem man Geodaten computergerecht umformulierte (und somit digitalisierte), wurden die Rechner zu unverzichtbaren Pfeilern einer neuen Form der Kartenproduktion. Ein Autor hielt 1981 in der Mitarbeiterzeitung «TOPO» fest: «Ich glaube, die Zukunft beginnt in jedem Augenblick.»
Wie das Wechselspiel von innovationsfreudigen Menschen und unermüdlichen Computern bei swisstopo in den 1980er Jahren weiter Fahrt aufnahm, erfahren Sie im September 2023 in unserer nächsten Online-Ausstellung.