Die Landestopografie beginnt mit der Verdichtung des Schweizer Triangulationsnetzes. Die so ermittelten rund 3000 Lagefixpunkte dienen fortan als Ausgangspunkte für die topografische Detailaufnahme.
1941 eröffnete die Schweizerische Landestopografie ihren Hauptsitz in Wabern bei Bern. Der Standortwechsel war aufs Engste mit einem kartografischen Mammutprojekt verbunden: 1935 erteilte das Parlament der Landestopografie den Auftrag, das Landeskartenwerk zu erschaffen. Um dies umzusetzen, war es unumgänglich, die Arbeitsräume der Ingenieure zu zentralisieren, zu erweitern und bestens auf die Erfordernisse ihrer Arbeit auszurichten. In Zeiten von Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Krieg war dies keine leichte Aufgabe.
Im Jahr 1904 bezog die Schweizerische Landestopografie erstmals einen eigens für sie errichteten Sitz. Doch das Gebäude an der Hallwylstrasse 4 im Berner Kirchenfeld reichte schon bald nicht mehr aus: Neue, arbeitsintensive Aufgaben waren der Landestopografie anvertraut worden. Insbesondere trug das Bundesgesetz zur Erstellung neuer Landeskarten von 1935 eine Jahrhundertaufgabe an die Landestopografie heran. Sie verlangte nach mehr Personal und Arbeitsräumen. Der Bundesrat schlug dem Parlament daher einen Neubau als Lösung vor.
Zwischen 1907 und 1935 wuchs der Raumbedarf der Landestopografie merklich. Grund dafür waren zahlreiche neue Arbeitsfelder.
Die Landestopografie beginnt mit der Verdichtung des Schweizer Triangulationsnetzes. Die so ermittelten rund 3000 Lagefixpunkte dienen fortan als Ausgangspunkte für die topografische Detailaufnahme.
Die Landestopografie beginnt, mit neuen kartografischen Darstellungsformen zu experimentieren. Eine Vielzahl von Entwürfen und Probedrucken führt schliesslich zum endgültigen Erscheinungsbild der Landeskarte.
Die Landestopografie prüft die von privaten Geometern erstellten Originalübersichtspläne auf deren Qualität und Instruktionstreue. Die in grossen Massstäben gehaltenen Pläne sind das Herzstück der Schweizerischen Grundbuchvermessung.
Die Landestopografie wird mit der Revision und Erneuerung der Karten der Schweizer Festungsgebiete St. Gotthard, St. Maurice und Monte Ceneri betraut. Die Festungskarten sind für die Landesverteidigung von grosser Bedeutung.
Am 21. Juni 1935 verabschiedet die Bundesversammlung das Bundesgesetz über die Erstellung neuer Landeskarten. Damit fällt der Startschuss für die Arbeit am neuen amtlichen Kartenwerk der Schweiz, der Landeskarte.
«Die Notwendigkeit einer durchgreifenden Lösung der Raum- und Platzfrage […] wird nunmehr unaufschiebbar im Hinblick auf den mit der Erstellung neuer Landeskarten im Zusammenhang stehenden Zuwachs von Aufgaben im Verlauf der nächsten 20-25 Jahre.»
Die Suche nach einem Bauplatz für das Hauptgebäude der Landestopografie gestaltete sich schwierig. Als entscheidend erwies sich die Baulandfrage, die zu mehreren Wechseln in der Standortplanung führte: Bevor die Wahl auf Wabern fiel, standen andere Bauplätze innerhalb der Stadt Bern im Fokus.
Entnehmen Sie dieser interaktiven Karte, weshalb sie sich letztlich nicht durchsetzen konnten.
Auf dem Berner Wankdorf verfügte der Bund über eigenes Bauland, das vor allem die Armee nutzte. Eine Waffenfabrik, Zeughäuser, eine Kaserne, ein Kavallerie-Depot, Lagerhäuser und andere militärische Einrichtungen machten das Wankdorf zu einem wichtigen Standort der Schweizer Streitkräfte. Damit war jedoch auch eine attraktive Angriffsfläche für feindliche Luftangriffe entstanden, die sich durch den Neubau der Landestopografie noch vergrössert hätte. Der Nationalrat lehnte das Wankdorf deshalb 1935 als Standort der Landestopografie ab.
Bild: Das Berner Wankdorf mit Militäranlagen, Wohnsiedlungen und Äckern, 1942
Nachdem der Nationalrat das Wankdorf für ungeeignet erklärt hatte, rückte 1935 das Berner Holligengut in den Fokus der Standortsuche. Dort entstand jedoch bald ein Zielkonflikt zwischen dem Bund und der Stadt Bern: Der 1935 gewährte Kredit für den Neubau der Landestopografie gründete auf der Annahme, dass das Gebäude auf bundeseigenem und somit kostenlosem Land zu stehen käme. Gelder für den Kauf von Bauland waren im Kredit deshalb nicht vorgesehen. Das Bauland im Holligengut gehörte jedoch nicht dem Bund, sondern der Stadt Bern – und diese war in Zeiten von Wirtschaftskrise und Steuerausfällen nicht gewillt, das Land kostenfrei abzutreten. Diese Zwickmühle führte dazu, dass der Bundesrat die Variante Holligengut 1937 fallenlassen musste.
Bild: Nicht realisierter Grundrissentwurf für ein Landestopografiegebäude in Holligen (1935, Quelle: Schweizerisches Bundesarchiv).
Am 16. Juni 1938 bestätigte der Ständerat Wabern als neuen Standort der Landestopografie. Aufgrund dieser Entscheidung zog erstmals eine Bundeseinrichtung aus der Stadt Bern aus. Ausschlaggebend für die Wahl Waberns war, dass zwei Faktoren die Kosten des Landkaufs an der Seftigenstrasse abgefedert hatten: Zum einen konnte die Landestopografie ein bestehendes Fabrikgebäude für ihre Druckerei umnutzen, zum anderen steuerte die Gemeinde Köniz 50'000 Franken zum Bauprojekt bei. Doch nicht nur finanzielle, sondern auch militärische Überlegungen hatten für Wabern gesprochen, wie der Bundesrat betonte: «Am Fuss des Gurten gelegen, ist – im Gegensatz zu der Lage im Wankdorf – ein gewisser Schutz gegen Sicht aus der Luft vorhanden, auch liegt die Liegenschaft günstig für die Möglichkeit der aktiven Fliegerabwehr.»
Bild: Luftbild des Standorts Wabern wenige Monate vor Baubeginn (Oktober 1938). In der Bildmitte ist das Fabrikgebäude der Firma Tricoterna (vormals Strickerei Fischer & Co.) zu sehen, das die Landestopografie zum Druckereigebäude umnutzte und in den Neubau integrierte.
Der Entscheid, die neue Landestopografie in Wabern zu bauen, löste insbesondere in der Stadt Bern starke Reaktionen aus. Zum ersten Mal überhaupt sollte eine Abteilung der Bundesverwaltung ausserhalb der Bundessstadt zu stehen kommen.
Im Kriegsfall hätte jedoch auch in Wabern Gefahr gedroht. Die Kartenproduktion teilweise oder gänzlich aus dem Mittelland in die als sicherer wahrgenommene Alpenregion zu verlegen, erschien aus diesem Grund sinnvoll. Zwischen 1938 und 1941 entwickelte sich deshalb eine doppelte Standortplanung: Das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) arbeitete neben dem Neubau in Wabern auch auf eine sogenannte Kriegslandestopografie im Alpenraum hin. Die Planer konnten dabei auf Überlegungen aus früheren Jahrzehnten zurückgreifen
Bereits 1902 hatte das Eidgenössische Militärdepartement mit Evakuationsplanungen für die Landestopografie begonnen. Der Alpenraum spielte dabei noch eine untergeordnete Rolle. Vor und während des Ersten Weltkriegs bestand die Gefahr, dass Deutschland und Frankreich einander via Schweizer Territorium angreifen würden. Weite Teile des Mittellandes wären in diesem Fall zum Durchmarsch- oder gar Kampfgebiet geworden. Bern lag im Zentrum dieser Gefahrenzone, weshalb man die Landestopografie an einen Standort am Rand des Mittellandes verlegt hätte. Insbesondere Vevey und St. Gallen wurden als Optionen diskutiert.
Im Kriegsfall bestand die Hauptaufgabe der Landestopografie darin, Karten für die Armee zu drucken. Dafür waren grossformatige Druckerpressen erforderlich. Die betriebseigenen Maschinen zu evakuieren, hätte jedoch rund zwei Monate gedauert. Den Vertretern der Landestopografie erschienen deshalb nur Orte als geeignet, an denen es bereits geeignete Druckerpressen gab. Die Druckereihochburgen der Schweiz (insbesondere Bern, Zürich und Winterthur) befanden sich jedoch überwiegend in Städten des Mittellands, die ausserhalb der Reduitzone lagen. Das Dilemma, dass im sicheren Alpenraum kaum Druckerei-Infrastruktur vorhanden war, lähmte die Evakuationsplanungen.
Seit dem deutschen Überfall auf Polen vom 1. September 1939 wütete Krieg in Europa. Bis im Sommer 1940 hatte Nazi-Deutschland fast alle seine Nachbarländer angegriffen und besetzt. In der Schweiz stieg die Furcht, dass dem Alpenstaat dasselbe Unheil widerfahren würde. Angesichts dieser Lage ordnete das Eidgenössische Militärdepartement am 20. Dezember 1940 an, dass Teile der Landestopografie umgehend in den Reduitraum zu verbringen seien. Als ungefähren Zielort bestimmte der Evakuationsdienst der Armee Meiringen im Berner Oberland.
Im Frühjahr 1938 wurde es laut in Wabern: Baumaterialien, Maschinen und zahlreiche Arbeiter kamen in den Vorort Berns, um den Neubau der Landestopografie zu errichten. Das Fabrikgebäude der Strickerei Tricoterna (vormals Strickerei Fischer & Co.) konnte man als neue Heimat der Druckerei übernehmen, das Bürogebäude musste neu erbaut werden. Die Arbeit auf der Grossbaustelle war hochbegehrt. Seit 1929 war die Schweiz schwer von der globalen Wirtschaftskrise betroffen. Auf das Baugewerbe hatte sich diese besonders verheerend ausgewirkt: Aufträge für die Baufirmen waren genauso knapp an der Zahl wie die Arbeitsplätze im gebeutelten Sektor. Der Neubau der Landestopografie war deshalb auch als Arbeitsbeschaffungsmassnahme gedacht, die möglichst viele Firmen und Einzelpersonen zu einem Einkommen verhelfen sollte.
Das Eidgenössische Baudirektorat bemühte sich, Aufträge an möglichst viele Unternehmen zu vergeben. So sollte eine Vielzahl von krisengeschüttelten Firmen vom Neubau profitieren. Aufgrund der geografischen Nähe gingen die meisten Aufträge an Unternehmen aus der Region Bern.
Der Neubau der Landestopografie war kein übliches Verwaltungsgebäude. Weil es einen produzierenden Betrieb beheimaten sollte, musste es besonderen Anforderungen genügen: Die schweren Druckerpressen verlangten nach einer Maschinenhalle, für die fotochemische Reproduktion waren Labore nötig, und die Kartografen und Topografen waren bei ihrer Arbeit auf Arbeitsplätze mit viel Tageslicht angewiesen – am besten direkt am Fenster. Auch der Anordnung der Arbeitsräume wurde grosse Bedeutung beigemessen.
«Zweck der Vorlage des Bundesrates (ist) auch die Bestgestaltung des Arbeitslaufes durch zweckmässig angeordnete, in Grösse, Belichtung und Gegenseitiger Lage den Bedürfnissen des Betriebes entsprechende Arbeitsräume.»
Am 7. Juni 1941 war es soweit: Der Neubau der Landestopografie öffnete seine Tore. Der Tag der Feierlichkeiten begann mit einem Inspektionsbesuch des frisch gewählten Bundesrats und Vorstehers des Eidgenössischen Militärdepartements, Karl Kobelt. Es folgten Führungen durch das Gebäude und ein Mittagsimbiss im grossen Saal der Brauereiwirtschaft Wabern.
Der Zweite Weltkrieg warf einen Schatten auf die Einweihungsfeier in Wabern: Bereits am 20. Dezember 1940 war die Entscheidung gefallen, Teile der Landestopografie umgehend in den Raum Meiringen im Berner Oberland zu verlegen. Dadurch drängten sich zwei grosse Fragen auf.
Der Evakuationsdienst der Armee sah vor, dass die Kartenproduktion auf den Pressen der Kunstdruckerei Brügger A.G. in Meiringen fortgesetzt werden sollte. Laut dem Direktor der Landestopografie, Karl Schneider, war die Einrichtung der grossen Aufgabe jedoch nicht gewachsen. Mangels besserer Lösung im Reduitraum stützte sich die Evakuationsstrategie der Landestopografie trotzdem auf diese Einrichtung.
Fast alle potenziellen Unterkünfte wie Hotels oder Pensionen waren bereits für Truppen der Armee beschlagnahmt, die im Kriegsfall ebenfalls in grosser Zahl in den Raum Meiringen verlegt worden wären. Ab Mitte Februar 1941 wurde deshalb die Option Brünig diskutiert: Dort fand sich ein stillgelegtes Kurhotel, das ausreichend Platz bot. Ende März stand schliesslich fest, dass die Landestopografie 1941 nicht nur in Wabern, sondern auch auf dem Brünigpass ein neues Quartier beziehen würde.
Das seit Jahren unbewohnte Kurhotel Brünig war nicht auf seinen neuen Verwendungszweck als Reduitzentrale ausgerichtet. Umbauten und Ergänzungen waren erforderlich: Im Sommer 1941 legte man eine zusätzliche Hochspannungsleitung der Elektrizitätswerke Reichenbach auf den Brünigpass, erhöhte den Wasserdruck im Haus, baute die Telefonanlage von einer auf sechs Sprechstellen aus und traf Luftschutz- und Verdunkelungsmassnahmen.
Ende August 1941 war das Gebäude schliesslich soweit auf Vordermann gebracht, dass der Umzug beginnen konnte. In drei zweitägigen Zügelaktionen kamen im September verschiedene Geräte, Kartenpapier, Chemikalien und vereinzelte Möbel ins umfunktionierte Kurhaus.
Die Arbeitsräume auf dem Brünig und in Wabern (Schieber bewegen). Kameras und Labore zur fotografischen Reproduktion. Während in Wabern eine gute Infrastruktur bereitstand, waren auf dem Brünig selbst grundlegende Anlagen wie die Heizung improvisiert.
Karten und Krieg waren stets eng miteinander verbunden. Bereits in der Antike war zuverlässiges Raumwissen unverzichtbar, um mit einem Heer Felswände zu umgehen, Gebirgspässe zu beschreiten, auf dem Meer zu navigieren oder um die sicherste Route zu einem Angriffsziel zu ermitteln. Im 20. Jahrhundert veränderte sich die Kriegführung deutlich. Artilleriegeschütze feuerten auf immer weiter entfernte Ziele, Kampfflugzeuge eroberten den Himmel, Lastwagen und Panzer beschleunigten Truppenbewegungen zu Boden. Bewaffnete Konflikte wurden räumlich immer flexibler und komplexer, was Geoinformation noch zentraler für die Kriegführung machte. Die folgenden Beispiele aus der swisstopo-Kartensammlung zeugen von diesem Umstand.
Bis Kriegsende war die Reduitzentrale nur wenig ausgelastet: Die Landestopografie setzte sich mit dem Anliegen durch, ihre Arbeit am Waberer Hauptsitz zu konzentrieren. In der Reduitzentrale waren nur kleine Gruppen von Mitarbeitern tätig. Das Kurhotel diente daher Luftschutztruppen als Übungsobjekt.
Im Sommer 1945 löste die Landestopografie ihre Reduitzentrale auf dem Brünig endgültig auf. Das Gebäude ging an die Grand Hotel & Kurhaus Brünig A.G. zurück und wurde 1946 abgerissen. Auf dem Luftbild von 1946 ist an dessen altem Standort nur noch eine grosse Waldlichtung erkennbar.
Seit 80 Jahren hat das Bundesamt für Landestopografie swisstopo seinen Hauptsitz in Wabern. Die bewusst grosszügige Planung des Neubaus erwies sich als zukunftsfähig: Nach einer merklichen Reduktion des Personalbestands in den Jahren 1948–1950 war der Neubau zunächst grösser als erforderlich, weshalb bis in die 1990er Jahre zeitweise auch Dienststellen des Militärs im Gebäude unterkamen. Angesichts neuer Aufgaben wie dem Aufbau des Topografischen Landschaftsmodells (TLM) sowie mit der Eingliederung der Vermessungsdirektion (vormals EJPD) und der Landesgeologie (vormals BAFU) ins Bundesamt benötigt swisstopo aber seit der Jahrtausendwende das vollständige Gebäude für sich. 2004 wurde es zudem mit einem Erweiterungsbau ergänzt.
Äusserlich blieb der Neubau der Landestopografie seit 1941 weitgehend unverändert, sein Innenleben wandelte sich aber immens. Was die Arbeitswelt des Amtes vor 80 Jahren noch prägte, wurde seit den 1980er Jahren Schritt für Schritt durch digitale Techniken ersetzt: Reproduktionstechniken wie der Kupferstich, die Lithografie oder die Schichtgravur auf Glas, fotochemische Verfahren und raumfassende Geräte wie Stereoautografen oder Zweiraumkameras gehören heute zur Glorie der Amtsgeschichte. Trotz dieses grundlegenden Wandels hatte sich der Neubau als Heimat der Schweizer amtlichen Kartografie bewährt. Der Direktor von swisstopo, Fridolin Wicki, blickt im Videointerview in die Zukunft.