Seit jeher haben Nutzerinnen und Nutzer einen grossen Einfluss auf die Geodaten von swisstopo. Ihre Bedürfnisse prägen nicht nur mit, wie Karten & Co. aussehen, sondern entscheiden auch, welche Geodaten überhaupt hergestellt werden.
Mit der Digitalisierung sind neue Formen von Geodaten entstanden. Auch die Nutzung hat sich durch den Bildschirm verändert. Viele grundlegende Aspekte sind aber im Analogen wie im Digitalen gleich geblieben. Grund genug, Papier und Bildschirm einmal zusammen zu denken.
Titelbild Faltbroschüre “Kartenlesen – Landeskarten verstehen und nutzen”, swisstopo 2018
Jede Kartennutzung beginnt mit dem Bezug des Kartenmaterials. Grosskunden wie die Armee erhalten damals wie heute ihre Papierkarten direkt von swisstopo. Privatkunden können sie ebenfalls bei swisstopo bestellen oder erwerben sie bei einer der lizenzierten Verkaufsstellen.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Preise für Karten stark verändert. Sie waren damals sehr teuer und für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich. Im 20. Jahrhundert sanken die Preise aber deutlich. 1961 kostete ein Blatt der Landeskarte inflationsbereinigt nur noch 15 Franken. Dies war verbesserten Produktions- und Drucktechniken zu verdanken.
Die Preisentwicklung bei digitalen Geodaten war ganz ähnlich wie bei Papierkarten. Sie waren in den frühen Jahren der Digitalisierung sehr teuer und wurden dann immer günstiger – seit 2021 sind digitale Karten & Co. sogar kostenlos erhältlich.
Catherine Marion Taverney und Raphaël Bovier arbeiten in der Geodatenabgabe von swisstopo. Im Video erzählen sie von den grossen Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich brachte.
Beim Kartenlesen bringen wir unsere subjektive Sicht und unsere eigenen Bedürfnisse in die Karte ein. Wir treten in einen Dialog mit den Geodaten und stellen Fragen: Wo bin ich? In welche Richtung blicke ich gerade? Welcher Kartenausschnitt ist wichtig für mich?
Um Nutzerinnen und Nutzer beim Umgang mit der Karte zu unterstützen, erstellte swisstopo 1989 den Informationsfilm «Kartenlesen ist keine Hexerei»:
Einige Kartenelemente dienen dazu, die Lesbarkeit zu erleichtern.
Distanzangaben zeigen an, welcher Strecke in der Realität eine Strecke in der Karte entspricht. Das macht sie zu einer der ältesten Übersetzungshilfen zwischen Karte und Landschaft.
Seit 1917 haben alle swisstopo-Karten ein Kilometergitter. Es hilft beim Abschätzen von Distanzen und unterstützt die Orientierung der Kartenlesenden.
Am Kartenrand ist die mittlere Nadelabweichung zu finden. Sie zeigt an, wie stark der magnetische Norden vom sogenannten Gitternorden der Karte abweicht. Wer sich mit dem Kompass im Feld orientieren möchte, ist auf diese Information angewiesen.
Mit der Digitalisierung hat sich das Kartenlesen und die Alltagspräsenz von Geodaten allgemein stark verändert, wie Christoph Streit, Leiter des Bereichs Kartografie von swisstopo, im Video ausführt. Er gibt dabei auch Preis, ob swisstopo beim Kartenmachen an die digitale oder die gedruckte Karte denkt:
Ein Kartenblatt, das aus der Druckerpresse kommt, sieht auch bei tausendfacher Auflage immer gleich aus. Durch die Nutzung wird es aber zum Einzelstück: Karten werden oft über Jahre hinweg mit immer neuen Routen, Anmerkungen und Beobachtungen versehen. So entsteht ein Gemisch aus der objektiven Karte und persönlichen Einträgen.
Der Alpinist und langjährige SAC-ler Willy Hartmann präsentiert im Video Papierkarten mit seinen persönlichen Einträgen und erzählt, wie er heute auch digital Touren plant.
Das Raumwissen von Bürgerinnen und Bürger floss bereits in die ersten Kartenblätter von swisstopo ein. Um die richtigen Namen der Orte, Wälder, oder Alpen zu erfassen, befragten die Topografen lokal kundige Personen wie Lehrerinnen, Sennen oder Veterinäre und hielten die Antworten in ihren Feldbüchern fest.
Auch Hinweise von Bürgerinnen und Bürger zu publizierten Kartenblättern nahm swisstopo auf. Ab 1952 wurden diese mit den internen Änderungsvorschlägen im sogenannten Revisionsatlas geführt. Dabei handelte es sich um Kartenblätter mit händisch geführten Korrekturvorschlägen am Rand.
Der mit roter Farbe bezeichnete Wanderweg (siehe Kopie) zwischen Neiron und Cassine di Deggio ob Quinto ist in einem so verwilderten Zustand, dass er wohl in ein, zwei Jahren nicht mehr zu finden sein wird.»
Mit der Digitalisierung verschwand der Revisionsatlas. 2009 ersetzte ihn swisstopo durch einen digitalen Revisionsdienst. Die Bürgerinnen- und Bürgerpartizipation nahm in der Folge stetig zu – dies nicht zuletzt dank immer einfacheren Eingabemöglichkeiten.
Durch den Computer hat sich die Interaktion mit Nutzerinnen und Nutzer verstärkt, wie der Topograf Jean-Christophe Guélat im Interview erzählt.
Die Geodaten von swisstopo werden stets im Hinblick auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer gestaltet. Im 19. Jahrhundert waren deshalb vor allem die Anforderungen von Armee, Verwaltung, Wissenschaft und Alpinismus zu berücksichtigen.
Im 20. Jahrhundert sanken die Preise für swisstopo-Produkte. Gleichzeitig gewann die private Kartennutzung laufend an Bedeutung: Die Schweizerinnen und Schweizer hatten mehr Freizeit als früher und wurden immer mobiler.
Die Landeskarte wurde zu einem Alltagsgegenstand, und die Lust auf Outdoor-Aktivitäten führte zu neuen Produkten wie Wander- und Skitourenkarten.
Die zwischen 1888 und 1952 produzierten Festungskarten waren ein geheimes Produkt von swisstopo, das ganz auf die Bedürfnisse der Armee zugeschnitten war. Mit ihrem grossen Massstab von 1:10 000 dienten sie der Artillerie.
1869 veröffentlichte swisstopo die ersten Kartenzusammensetzung. Diese Ehre wurde damals Luzern, Schaffhausen und Solothurn zuteil.
Die Ausschnitte von Zusammensetzungen sind so gewählt, dass zusammenhängende Landschaften auf einem Kartenblatt zu finden sind. Nutzerinnen und Nutzern wird so der mühselige Umgang mit dem Kartenrand erspart.
Im Video zeigen Catherine Marion Taverney und Raphaël Bovier auf, wie die Digitalisierung die Produktepalette von swisstopo veränderte.
Anwenderinnen und Anwender prägten die Produkte von swisstopo schon immer entscheidend mit. Ihr Wunsch, sich mit Karten & Co. möglichst effizient orientieren zu können, führte beispielsweise zum Kilometergitter der Papierkarte und zum ‘blauen Punkt’ auf der swisstopo-App. Besonders wirkmächtig ist die Wechselbeziehung zwischen Gebrauch und Produktion auf der Ebene der Produktepalette: Mit Kartenzusammensetzungen, Skiroutenkarten und zahlreichen digitalen Produkten reagiert swisstopo auf Kundenbedürfnisse. Und auch digitale Innovationen globaler Konzerne führen zu Veränderungen bei swisstopo. Beispiele dafür sind der Kartenviewer des Bundes und die swisstopo-App, die eine Service Public-Antwort auf Google Maps sind.
Die digitalen Produktionsweisen und Trägermedien erlaubten es swisstopo, im Dialog zwischen Kartennutzung und Kartenherstellung schneller und mit spezifischeren Produkten zu reagieren. Damit einher geht ein Bedeutungsverlust der Papierkarten. Sie sind nicht mehr das Endprodukt der Landestopografie. Im digitalen Zeitalter sind sie eines von vielen Produkten, die aus den gesammelten topografischen Daten entstehen können.
Digitalisierung der Landestopografie? Entdecke die Geschichte hier:
Die Digitalisierung der Landestopografie (1960 - 1980) - swisstopo historic
Karten im Computer: Digitalisierung bei swisstopo, 1980-2000 - swisstopo historic
Die in dieser Ausstellung präsentierten Medien von swisstopo können auf Wikimedia commons heruntergeladen werden.
Category:Swisstopo historic - Dossier Digitalisierung des Kartenlesens - Wikimedia Commons