1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, forderte der Telegrafenchef der Schweizer Armee den Aufbau eines Netzes von Ultrakurzwellenverbindungen. Telefonische Verbindungen über das Kabel galten als verwundbare Infrastruktur, daher sollte ein drahtloses Kommunikationsnetz in Krisensituationen die lückenlose Informationsübertragung absichern. Das Radio belegte damals die Frequenzen der Mittelwellen (MW oder MF). Weil andere Wellenlängen aufwendige oder gar immobile Apparaturen benötigt hätten, fokussierte die Armee bei ihrem Vorhaben auf die noch freien Frequenzen der Ultrakurzwellen.
Ultrakurzwellen sind kleiner als ein Meter und bewegen sich mehr oder weniger gerade durch die Luft, ähnlich wie das Licht. Für die Übertragung eines Signals muss daher Sichtkontakt zwischen der Sender- und der Empfängerstation bestehen. Die Armee versuchte, die möglichen Sichtverbindungen aus Kartenblättern und Panoramen aus der Zeit um 1900 auszulesen. Bald musste aber konstatiert werden, dass die bestehenden Informationen zu ungenau waren und präzisere Grundlagen nötig waren. Zu diesem Zweck sollte die Landestopografie Panoramen mittels Infrarotfotografie erstellen.
Bereits 1938 hatte die Landestopografie für die Armee Versuche mit Infrarotfotografie durchgeführt. Dabei prüfte sie die Technologie und stellte Einsatzrichtlinien für die Beobachtungstruppen auf. Wegen der Erfahrung in der Auswertung von Luftbildern und terrestrischen Messbildern galt die Landestopografie innerhalb der Militärdirektion als Expertenstelle für Fotografie. Der Abschlussbericht von 1939 sah durchaus Vorzüge der Infrarotfotografie:
Die Infrarotfotografie erlaubt durch den Dunst und vor allem über grosse Distanzen Resultate, die mit anderen [Foto-]Platten nicht erreicht werden können.
Weiter erscheinen Landschaften wie Wiesen heller als gebaute Strukturen wie Wege oder mögliche militärische Stellungen, weil das Infrarotlicht von Chlorophyll enthaltenden Pflanzenteilen stark reflektiert wird. Dieser Effekt war 1938 vor allem für die militärische Aufklärung interessant. Die Vorzüge der Infrarotfotografie auf lange Distanzen wurden wiederum 1942 relevant, weil sie die Planung des Ultrakurzwellennetzes erleichterten.
Unter der Leitung ihres Ingenieurs Fritz Kobold startete die Landestopografie 1942 mit den Infrarotaufnahmen auf dem Brienzer Rothorn. Das Ziel war, erst ein Netz fixer Ultrakurzwellenstationen zu definieren, die im Sommer und Winter bedient werden konnten, und dieses dann mit flexiblen Positionen zu erweitern. Die ersten Infrarotplatten wurden mit einem Fototheodoliten belichtet und fielen unbefriedigend aus. Die Ursache dafür wurde im unpassenden Kameramaterial gefunden. Aus Teilen einer alten Fliegerkamera, einem Objektiv einer Reproduktionskamera und einem Holzkasten bauten sich die Ingenieure daher eine Infrarotkamera zusammen. Deren Bilder konnten beim zweiten Versuch im selben Jahr, nun auf dem Niesen, qualitativ überzeugen und ausgewertet werden.
Kartografen des Armeestabs versahen die Panoramafotografien mit den Gipfelnamen und ihren Höhen. In einem zweiten Schritt wurden die Fotografien zugeschnitten, mit den Schriftzügen zusammengeklebt und anschliessend konnten davon Abzüge gemacht werden.
Wegen Aktivdienstunterbruch und schlechten Wetterbedingungen zogen sich die Arbeiten über mehrere Jahre hin.
Das Erstellen vollständiger Rundsichten durch Photographie stellt ausserordentliche Ansprüche an das Wetter. Denn es verlangt vollständige Nebelfreiheit, klare Sicht und gute Beleuchtung.
Zwischen 1942 und 1947 entstanden bei der Landestopografie 16 Infrarotpanoramen für die Armee. Die letzten Aufnahmen finanzierte der Armeestab bereits mit dem Beschaffungsbudget für die ab 1945 angeschafften «Tragbaren leichten Dezimeterstationen» (TLD), zu deren Einsatzplanung die Infrarotpanoramen schlussendlich dienen sollten. Das im Ultrakurzwellenbereich geplante Informationsnetzwerk funkte schliesslich also in noch kleineren Dezimeterwellen. In der Schweizer Armee besteht die damals aufgebaute Truppe der Richtstrahlpioniere bis heute. Sichtverbindungen können nun aber aus dem digitalen Topografischen Landschaftsmodell (TLM) der Schweiz abgeleitet werden.
Fritz Kobold, der für die Landestopografie das Infrarotprogramm leitete, wurde 1947 zum Geodäsieprofessor der ETH Zürich berufen. Wohl nicht zuletzt dadurch geriet die Infrarotfotografie an der Landestopografie in der folgenden Zeit vorerst in Vergessenheit. Fast vierzig Jahre später erlebte sie ihr grosses Revival. Im Zuge der Debatte um das Waldsterben 1983–1985 kam das Bedürfnis auf, eine Inventur zum Zustand der Schweizer Wälder zu erstellen. Dafür wurde 1985 das Projekt Sanasilva ins Leben gerufen. Bis heute kontrolliert die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL im Rahmen von Sanasilva die Kronenverlichtung, also wie viele Nadeln oder Blätter die Bäume im obersten Bereich verloren haben, unter anderem mit Hilfe der Bilder von swisstopo.
Dank der bereits in den 1930er Jahren festgestellten starken Reflektion des Infrarotlichts auf lebenden Pflanzenteilen fand die Infrarotfotografie damit auch eine zivile Nutzung. Mit SWISSIMAGE RS führt swisstopo bis heute ein Infrarot-Produkt, das die Grundlage für unterschiedliche Umweltstudien ist.
Historisches Bildmaterial zur Infrarotfotografie ist auf Wikimedia Commons in hoher Auflösung frei verfügbar: Klicken Sie hier
0 Kommentare
Neuer Kommentar hinzufügen