Ein swisstopo-Ingenieur im Schloss Uster, 1922. In der Mauerbrüstung war ein Rückversicherungsbolzen der Landestriangulation angebracht (swisstopo Bildsammlung)
Die amtlichen Karten der Schweiz enthalten Einträge, die auf historisch bedeutsame Orte hinwiesen. In der Auswahl der Objekte spiegelte sich immer auch das vorherrschende Geschichtsbild einer Zeit.
Der Winter des Jahres 1854 war aussergewöhnlich trocken. Auswirkungen dieser besonderen Wetterlage zeigten sich auch am Zürichsee, dessen Pegel auf einen historischen Tiefstand sank. Der Rückzug des Wassers legte bisher ungesehene Uferbereiche frei. Dabei traten nicht nur steiniger Seeboden, Schlamm und Wasserpflanzen zutage: Bei Obermeilen ragten zur Überraschung der Anwohnerinnen und Anwohner auch reihenweise hölzerne Pfähle aus dem Wasser.
Die Entdeckung von offensichtlich menschgemachten Pfählen im Zürichsee rief den Altertumsforscher Ferdinand Keller (1800–1861) auf den Plan. Er vermutete, dass die Pfähle Siedlungsreste aus dem Neolithikum und der Bronzezeit darstellten. In den folgenden Jahrzehnten wurden vom Genfer- bis zum Bodensee ähnliche Pfahlbaustrukturen gefunden. Laut dem Archäologen Kurt Altorfer «entwickelte sich in allen Bevölkerungsschichten eine enorme Begeisterung für die Pfahlbauer». Es habe zudem politische Gründe für das Pfahlbauerfieber gegeben, das ab den 1860er Jahren in der Schweiz herrschte: «National gesinnte Kreise machten den Pfahlbauer zum Symbol für eine seit Jahrtausenden vereinigte Schweiz und rechtfertigten damit die Existenz des Bundesstaats gegen aussen», so Altorfer. Das Interesse an den Pfahlbauern war aber nicht ausschliesslich historisch-ideologischer Natur. Die Ausgrabungen förderten auch Schmuck, Werkzeuge und Haushaltsgegenstände zutage, die man mit grossem Gewinn verkaufen konnte.
Das Schweizer Pfahlbaufieber schlug sich auch in den amtlichen Karten der Schweiz nieder. Die ab 1870 erscheinende Siegfriedkarte zeigte die Umrisse der Pfahlbausiedlungen und versah sie mit dem Vermerk «Pfahlbauten». Das ist insofern bemerkenswert, als die Strukturen an der Wasseroberfläche höchstens temporär sichtbar waren und deshalb eigentlich nicht in eine topografische Karte gehörten. Viele Kartennutzende begrüssten aber sicherlich die Möglichkeit, das frühgeschichtliche Faszinosum auch auf der Karte finden zu können.
Generell lässt sich in der Siegfriedkarte ein wachsendes Interesse an historischen Objekten beobachten. Im Kartenbild versammelten sich neben Schlössern, Burgruinen, historischen Verkehrswegen und römischen Theatern auch immer mehr Relikte der Frühgeschichte wie der Druidenstein Roc de l’Autel bei St-Ursanne oder die Pierre Percée bei Courgenay.
Die Sammlung dieser geschichtsträchtigen Orte für die Kartenproduktion war immer auch ein stückweit vom Geschichtsempfinden der Zeitgenossen geprägt. Ein Beispiel für diesen Umstand sind die Pfahlbauten: Nachdem das Pfahlbaufieber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig abgeflaut war, verschwanden die Siedlungen in den 1960er und 1970er Jahren vollständig aus der Landeskarte.
In den amtlichen Karten der Schweiz wurden die historischen Sehenswürdigkeiten nur vermerkt, wenn im Kartenbild für diese besonderen Einträge genug Platz vorhanden war. Standardsignaturen wie Wald, Gebäude, Strassen oder geografische Namen hatten natürlich zu jedem Zeitpunkt Priorität. Anders war dies in Spezialkarten, die eigens für das geschichtlich interessierte Publikum erstellt wurden. Eine solche Spezialkarte ist die vom Schweizerischen Burgenverein herausgegebene Burgenkarte. Sie erschien erstmals im Jahr 1937 und enthielt Einträge zu Burgen, Burgruinen, verschwundenen Burgen und anderen historischen Wehranlagen. Im Auftrag des Burgenvereins druckte swisstopo mehrere Auflagen der Spezialkarte zwischen 1976 und 2007. Laut einem Bericht aus dem Jahr 1937 wollte der Verein mit der Karte vor allem Geschichtsinteressierte und Reisende ansprechen:
Nicht nur den Geschichtsfreund, jedem, der die Schweiz bereist, wird diese ausgezeichnete Publikation sehr willkommen sein. Sie beweist, [...] wie mannigfach das Schweizer Landschaftsbild durch die romantischen Überreste einstiger Wehranlagen bereichert wird.
In der Landeskarte wurden Schlösser, Burgen und Burgruinen ebenfalls oft vermerkt. Sie mussten dafür im Feld eindeutig sichtbar sein. In der Burgenkarte war das Kriterium der Sichtbarkeit hingegen weniger strikt ausgelegt. Sie vermerkte auch Erdstrukturen wie Letzinen, frühgeschichtliche Grabhügel und andere menschgemachte historische Stätten, die vor Ort oft nur für eine Expertin oder einen Experten erkennbar waren.
Auch die aktuellen Geodaten von swisstopo enthalten historische Stätten. Als zwischen 2008 und 2019 das Topografische Landschaftsmodell der Schweiz (TLM) aufgebaut wurde, flossen die Eintragungen aus der Landeskarte und zahlreiche Daten aus der Burgenkarte in die umfassende Raumdatenbank ein. So enthalten die Landeskarten auch heute noch zahlreiche historische Einträge, die beim Wandern oder Velofahren zum spontanen Sightseeing einladen.
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