Landesvermesser auf dem Chasseral, 1921. Die "Pyramide" signalisiert den dortigen Triangulationspunkt (swisstopo Bildsammlung, Inv. Nr. 000-389-722).
Im frühen 20. Jahrhundert wuchs die Zahl der Schweizer Triangulationspunkte rasant. Landestopografie und Kantone scheuten keine Mühen, um die wertvollen Punkte langfristig auffindbar, sichtbar und unverrückbar zu machen.
«Im nordöstlichen Teil des Plateaus, ca. 35 m südöstl. des grossen, zweiteiligen Kirschbaums.» «Vor der westlichen Hausecke der Brennerei.» «Unter dem Bohnengarten und oberhalb der Grube.»
Diese geheimnisvollen Anweisungen verraten nicht, wo man nach einem verborgenen Schatz graben sollte; auch dienten sie keinem Liebespaar als Wegweiser zum heimlichen Treffpunkt. Vielmehr führten unzählige solcher Notizen die Geodäten der Landestopografie zu einzelnen Fixpunkten des Schweizer Triangulationsnetzes. Über das ganze Land verstreut waren sie zu Tausenden mit Bolzen, Steinen und Signalen markiert.
1809 begannen die Grundlagenarbeiten zur Topografischen Karte der Schweiz (Dufourkarte). Eine der ersten Aufgaben war es, die Schweiz mit einem Triangulationsnetz zu überziehen. Geodäten erschufen dieses, indem sie mit Theodoliten die Winkel zwischen einzelnen, über das ganze Land verteilten Punkten ausmassen. 1840, fünf Jahre vor der Veröffentlichung des ersten Blatts der Dufourkarte, präsentierte der Astronom und Geodät Johannes Eschmann jene Triangulation primordiale in seinen «Ergebnissen der trigonometrischen Vermessungen in der Schweiz».
Um bestehende Netze zu verdichten, führte die Schweizerische Geodätische Kommission eine Triangulation I. Ordnung durch, die bereits 1880 zum Abschluss kam. Mit den Triangulationen II. und III. Ordnung verdichteten die Geodäten der Landestopografie die Triangulation I. Ordnung zwischen 1896 und 1923 weiter.
Im Jahr 1909 fiel darüber hinaus der Startschuss für eine landesweit einheitliche Grundbuchvermessung, die auf ein noch engmaschigeres Fixpunktnetz angewiesen war. Aus diesem Bedürfnis entstand die Triangulation IV. Ordnung. Die Kantone führten das Mammutprojekt unter Aufsicht des Bundes zwischen 1910 und 1940 durch.
Die Eckpunkte des schweizweiten Dreiecksnetzes befanden sich oft auf Berggipfeln, Kirchtürmen, Hügelkuppen und anderen von weithin sichtbaren Orten. Mit der wachsenden Zahl solcher Fixpunkte wurde es immer schwieriger, den Überblick über das Netz zu behalten. Die Punktkoordinaten waren abstrakte Resultate der Landesvermessung, die in der natürlichen Welt nicht anzutreffen waren. Entsprechend mussten die Triangulationspunkte durch Protokolle, Markierungen und Signale sicht- und auffindbar gemacht werden.
Bei den Triangulationsarbeiten zur Dufourkarte zwischen 1809 und 1840 hatten die Ingenieure keine Punktprotokolle angefertigt. Es gab also keine Verzeichnisse, in denen sich nachschlagen liess, wo sich ein Triangulationspunkt genau befand und wie man zu ihm gelangte. Zwar waren vor Ort Steine oder Holzsignale vorhanden, um Triangulationspunkte eindeutig zu verorten. Doch glichen diese unscheinbaren Objekte im offenen Gelände oft der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Bei Nachmessungen und Verdichtungen des bestehenden Netzes führte dieser Umstand bald zu Schwierigkeiten.
Aus den früheren Versäumnissen zogen die Ingenieure der Geodätischen Kommission, des Bunds und der Kantone die richtigen Schlüsse: Bei den Triangulationen I. bis IV. Ordnung fertigten sie Versicherungsprotokolle an, die dabei halfen, einen Fixpunkt wiederzufinden. Diese Findmittel bestanden meist aus einer Koordinatenangabe, einem handgezeichneten Lageplan sowie aus einer ausformulierten Wegbeschreibung: «Sur le bord sud de la route cantonale, vis à vis du clocheton» konnte eine entscheidende Information sein, um einen Triangulationspunkt im Feld wiederzufinden. Oft ergänzten Fotografien die Dokumentation.
Einmal aufgefunden, musste zwischen den einzelnen Punkten des Triangulationsnetzes eine Sichtverbindung bestehen. Nur so konnten Geodäten die Punkte mit dem Theodoliten anvisieren und Winkel ausmessen. Um die Sichtverbindung zu gewährleisten, gab es unterschiedliche Hilfsmittel. Einerseits stellten die Vermesser Signale auf, die exakt über einem Triangulationspunkt positioniert waren. Die bekanntesten sind wohl die sogenannten Pyramiden, die auch heute noch so manchen Schweizer Gipfel krönen. Ebenfalls landschaftsprägend sind Beobachtungstürme mit ihren Signalen, Sie waren beispielsweise erforderlich, wenn ein Wald den Blick auf einen Triangulationspunkt verstellte. Aber auch hölzerne Strukturen und sogenannte Steinmänner konnten als Träger von Signalen dabei helfen, einen Triangulationspunkt von weither sichtbar zu machen.
Während des eigentlichen Vermessungsprozesses konnten die Geodäten zudem ein Instrument verwenden, das zusätzliche Sichtbarkeit herstellte. Mit sogenannten Heliotropen spiegelten Vermesser am Zielpunkt das Sonnenlicht in Richtung des Ausgangspunkts, wo ihr Kollege mit einem Theodolit positioniert war. Dank dieses Hilfsmittels liess sich ein Fixpunkt auch bei dunstiger Witterung und aus weiter Entfernung anpeilen.
Neben dem Auffinden und Anpeilen von Triangulationspunkten war auch deren unverrückbare Markierung im Gelände eine grosse Herausforderung. Viele Fixpunkte, die bei den Arbeiten zur Dufourkarte entstanden waren, gerieten in Bewegung: Holzsignale und gehauene Steine aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfügten höchstens über ein schwaches unterirdisches Fundament und waren oft überhaupt nicht im Boden verankert. Sie konnten sich deshalb bei starker Wettereinwirkung, Blitzeinschlag oder in rutschendem Gelände verschieben, manche wurden gar mutwillig zerstört. Dies kam einem Genauigkeitsverlust gleich, den die Ingenieure in der Folge durch die sogenannte Versicherung zu verhindern suchten. Auf die Triangulationsarbeiten der letzten fünfzig Jahre zurückblickend, betonte der swisstopo-Geodät Hans Zölly im Jahr 1948 entsprechend:
"Auf die Versicherung der trigonometrischen Hauptpunkte wurde von Anfang an größtes Gewicht gelegt, lehrte doch die Vergangenheit, daß die ungenügende Versicherung die Hauptursache gewesen war, wenn Triangulationsarbeiten immer wieder von Grund aus neu erstellt werden mußten."
Um Fixpunkte möglichst fest zu verankern, erhielten Marksteine ein unterirdisches Fundament, das oft weitaus grösser war als der Stein, der an der Erdoberfläche sichtbar ist.
Dank Punktprotokollen, Signalen und gut versicherten Markierungen waren die Triangulationspunkte der Schweiz auffindbar, sichtbar und möglichst unverrückbar. Doch die Arbeit war damit nicht erledigt: Regelmässige Kontrollen erhielten die Qualität des Punktnetzes. Die Vermesser der Landestopografie und der Kantone prüften, ob sich eine Markierung verschoben hatte, beschädigt wurde oder nicht mehr sichtbar war. Je nach Standort erfolgte diese Überprüfung alle 5 bis 15 Jahre, im Gebirge, wo sich die Punkte besser erhielten und schwerer zugänglich waren, nach maximal 25 bis 30 Jahren.
Wenn ein Punkt aufgrund Beschädigung oder Bewegung als unzuverlässig oder wegen fehlendem Sichtkontakt zu anderen Punkten für unbrauchbar befunden wurde, musste dieser gestrichen werden. Beispielsweise protokollierte ein ein Geodät der Landestopografie zu einem Triangulationspunkt im Waadtland:
«Punkt [im Jahr] 1939 nicht gefunden. Er liegt mitten im sumpfigen Wald. Die früheren Sichten sind nicht mehr möglich. Aus diesen Gründen gestrichen (Meldg. Kanton).»
Die Triangulationen I. bis IV. Ordnung bildeten während knapp hundert Jahren die geodätische Grundlage der Schweizer Kartenwerke. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten verbesserte Möglichkeiten der Distanzmessung jedoch ergeben, dass das bewährte Triangulationsnetz Verzerrungen von bis zu 1.6 m aufwies.
Zwischen 1988 und 1995 baute die Landestopografie deshalb eine neue geodätische Grundlage auf, die zwar auf dem bestehenden Netz fusste, dank Satellitentriangulation aber weitaus genauer war. Die Lagegenauigkeit der Punkte belief sich nun auf 1-2 cm. Die LV95 verband neuartige Technologien mit bestehenden Arbeiten, womit nicht zuletzt auch eine Brücke zwischen analogen und digitalen Vermessungspraktiken gebaut wurde.