Karten und die Entdeckung der Freizeit

10. Sep. 2022

Das Vélodrome von Lausanne. Topographischer Atlas der Schweiz, Blatt 438 "Lausanne", 1928 (Ausschnitt)

Karten können für eine Vielfalt von Aktivitäten genutzt werden. Doch wann hielt die Freizeit Einzug in die Karten der Schweiz?

Seien es Schneesportkarten, Wanderkarten oder die swisstopo-App – heute sind Freizeitbeschäftigungen eng mit Geodaten verbunden. Spezialkarten werden eigens für Freizeitaktivitäten massgeschneidert und auch auf der Landeskarte sind Freizeitstätten allgegenwärtig. Doch war dies schon immer so? Ein Blick zurück zeigt, wie die Freizeit im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu einem Faktor in der Schweizer Kartografie wurde.

Abseits der Städte konnte die Schweizer Bevölkerung ab 1870 dank den detailgetreuen Darstellungen von Feld-, Wald- und Bergwegen die Siegfriedkarte für Wanderungen, Reisen und weitere Freizeitaktivitäten nutzen. So berücksichtigten Kartografen bereits 1881 das Hotel Riffelalp bei Zermatt auf Blatt 535 der Siegfriedkarte. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts tauchten in den Karten der Landestopografie vermehrt Infrastrukturen mit Bezug zu Freizeitaktivitäten auf. Velodrome, Stadien und Sportplätze erschienen nun namentlich in den Karten.

Die zunehmende Berücksichtigung von Freizeitstätten in den Karten der Landestopographie steht in Zusammenhang mit der Herausbildung eines Freizeitbewusstseins. Das Fabrikgesetz von 1877 und erste ferienrechtliche Bestimmungen 1879 ermöglichten der Bevölkerung, ihre wachsende Freizeit selbst zu gestalten. Nicht nur entstand ein vielfältiges Vereinsleben; viele Schweizerinnen und Schweizer verfügten auch über Einkommen, die eine aktive Freizeitgestaltung und Ferien ermöglichten.

Während das aufblühende Freizeitbewusstsein in Karten in Form von eingezeichneten und beschrifteten Freizeitstätten allmählich Spuren hinterliess, stellt sich die Frage, wie die Landestopografie auf diesen Kulturwandel reagierte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfolgte die Landestopografie noch keine einheitliche Darstellung oder Beschriftung von Freizeitstätten. Dies zeigt sich am Beispiel Zürichs. Während Kartografen die Rennbahn und das Hallenstadion bereits früh beschrifteten, wurde auf die Bezeichnung der Stadien Hardturm und Letzigrund bis 1994 und 2000 verzichtet. Eine je nach Fall unterschiedliche Handhabung zeigt sich auch in der Erwähnung von Golfplätzen. Ein systematischeres Vorgehen zeigt sich hingegen bei der Darstellung von Skiliften. Diese traten in der Regel mit dem Übergang von den Blättern der Siegfriedkarte zur Landeskarte als fester Bestandteil der Erstausgaben der Landeskarte auf.

Die Erfassung von Freizeitstätten mag unsystematisch gewesen sein, doch stellte das Amt bereits früh Geodaten für Freizeitkarten zur Verfügung. So ermöglichte die Landestopografie dem Schweizer Alpen-Club (SAC) die Publikation erster Exkursionskarten für die ab 1865 erscheinenden SAC-Jahrbücher. Die Inkonsistenz in der Aufführung von Freizeitstätten könnte darauf zurückzuführen sein, dass freie Zeit mit unterschiedlichen individuellen Aktivitäten gestaltet werden kann, die nicht einfach in einen kartografischen Begriff übersetzt werden können.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts fokussierte sich die Landestopografie dann bezüglich Freizeit auf die Publikation von spezifischen Karten für Skitouren und Wanderungen. Das Amt veröffentlichte die erste Skitroutenkarte 1950 und schloss 1982 einen Vertrag mit den Schweizer Wanderwegen (SAW) über die Publikation der Wanderkarte. Seit den späten 1990er werden Freizeitstätten, so zum Beispiel Golfplätze mit Fähnchen, systematisch erfasst und bezeichnet. Heute bietet swisstopo mit zahlreichen Karten, dem Geoportal des Bundes map.geo.admin.ch und der swisstopo-App verschiedenste Dienste für die Gestaltung der individuellen Freizeit. Während die Entwicklung der Freizeitkultur im 20. Jahrhundert in Karten erste Spuren hinterliess, ist sie in den interaktiven Karten des 21. Jahrhunderts allgegenwärtig.

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